Verallgemeinerte kanonische Verteilung

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Motivation

Makroskopische thermodynamische Zustände sind gegeben durch die Mittelwerte

M(x)

von Mikroobservablen M(x), interpretiert als Zufallsvariable.

Rückschlüsse von

M(x)

auf die Wahrscheinlichkeitsverteilung

ρ(x)?


Methode

Vorurteilsfreie Schätzung (Jaynes, 1957): (unbiased guess; Prinzip des maximalen Nichtwissens)

  • Verallgemeinerung des Laplacschen Prinzips vom unzureichenden Grund.
    • (Minimum der Shannon- Information I(ρ(x))= Maximum des Nichtwissens S(ρ(x)) liefert Gleichverteilung)
  • Jetzt: Zusätzlich zur Normierung der Pi sind die Mittelwerte von m Zufallsvariablen:
Minn=1,2,...,mMn=i=1NPiMinn=1,...,mm<<N


Annahme:

Jedes Elementarereignis Ai hat gleiche a-priori- Wahrscheinlichkeit, das heißt OHNE zusätzliche Kenntnisse Mn gilt Gleichverteilung über den Ai.

Informationstheoretisches Prinzip

(nach (Jaynes 1922-1998))

Suche die Wahrscheinlichkeitsverteilung, die unter der Erfüllung aller bekannten Angaben als Nebenbedingung die minimale Information enthält:

Also: I(P)=i=1NPilnPi=!=Minimum

Nebenbed.:

i=1NPi=1Mn=i=1NPiMinn=1,...,m

Variation: δI=i=1N(lnPi+1)δPi


Es gilt: von den N Variationen δPi sind nur N-m-1 unabhängig voneinander!

iδPi=0

Lagrange- Multiplikator λ=(Ψ+1)

iMinδPi=0


Lagrange- Multiplikator λn

Anleitung: Wähle Ψ,λn so, dass die Koeffizienten von (m+1)δPi´s verschwinden, die übrigen N-(m+1) sind dann frei variierbar!

Somit:

δI=i=1N(lnPiΨ+λnMin)δPi=!=0


Vorsicht: Auch Summe über ν (Einsteinsche Summenkonvention!)


:Pi=exp(ΨλnMin) verallgemeinerte kanonische Verteilung


Die Lagrange- Multiplikatoren Ψ,λn sind dann durch die m+1 Nebenbedingungen eindeutig bestimmt!

Kontinuierliche Ereignismenge

I(ρ)=ddxρ(x)lnρ(x)=!=Minimum


unter der Nebenbedingung


ddxρ(x)=1ddxρ(x)Mn(x)=Mnn=1,...,m


Durchführung einer Funktionalvariation:

δρ(x)


δI(ρ)=ddx(lnρ(x)+1)δρ(x)=0ddxδρ(x)=0ddxMn(x)δρ(x)=0ddx(lnρΨ+λnMn)δρ(x)=0ρ(x)=exp(ΨλnMn)


Vergleiche: A. Katz, Principles of Statistial Mechanics

ANMERKUNG Schubotz: Siehe auch [1]

Eigenschaften der verallgemeinerten kanonischen Verteilung

hier: noch rein informationstheoretisch,

später: wichtige Anwendungen in der Thermodynamik

Legendre- Transformation:

Sei Ψ(t) eine Bahn!

Dann ist M:=dΨ(t)dt die Geschwindigkeit.

Aus Ψ(M) kann die Bahn Ψ(t) noch nicht rekonstruiert werden, jedoch aus

I(M)=Ψ(t)M(t)t

mit t=t(M):


dIdM=dΨ(t)dtdtMdMMdtdMtM:=dΨ(t)dtdIdM=t


hieraus folgt

M(t)


eingesetzt in

I(M)=Ψ(t)M(t)tΨ(t)


durch Eisnetzen gewinnt man

Ψ(t)


Jedenfalls:


I(M)=Ψ(t)M(t)t


heißt legendre- Transformierte von

Ψ(t).


Anwendung auf die verallgemeinerte kanonische Verteilung:

Pi=exp(ΨλnMin)


Normierung:


iPi=1eΨ=iexp(λnMin)Z



Also gilt:


Ψ=Ψ(λ1,...,λm) und Pi sind durch (λ1,...,λm) vollständig parametrisiert.

Nebenbemerkung

Die Verteilung Pi bzw. ρ(x) wirkt auf dem Raum der Zufallsvariablen Min (diskret) bzw. xRd(kontinuierlich).

(λ1,...,λm) sind Parameter.


Mn sind Erwartungswerte MnR


Beispiel:
x=(q1,...,q3N,p1....,p3N)Γ (Phasenraumelement)

mit Γ als Phasenraum der kanonisch konjugierten Variablen


M(x)=i=13N(pi22m+V(qi)) mikrokanonisch Verteilungsfunktion


M(x)=i=13N(pi22m+V(qi)) als mittlere Energie

Shannon- Information:


I(P)=iPilnPi=iPi(ΨλnMin)=ΨλniPiMinI=Ψ(λ1,...λm)λnMn


Aus Ψ(λ1,...λm)=lniexp(λnMin)λnΨ=i(Min)exp(λnMin)iexp(λnMin)iexp(λnMin)=eΨλnΨ=i(Min)exp(ΨλnMin)exp(ΨλnMin)=PiλnΨ=i(Min)PiλnΨ=Mn


Damit können wir die Legendre- Transformation (verallgemeinert auf mehrere Variablen) identifizieren:


Ψ(t)Ψ(λ1,...λm) Variable λn


MMn=Ψλn neue Variable Mn


I(M)I=ΨλnMn Legendre- Transformierte von Ψ!

Es folgt:


IMn=λn


wegen:


IMn=ΨλmλmMnλmMnMmλnΨλm=MmIMn=λn


Zusammengefasst:


dI=λndMn

Dies ist in der Thermodynamik die Gibbsche Fundamentalgleichung!


Betachte Variation:


MnMn+δMn


dann:


λnλn+δλnΨΨ+δΨPiPi+δPi


Informationsgewinn:


K(P+δP,P)=i(Pi+δPi)ln(Pi+δPi)i(Pi+δPi)lnPii(Pi+δPi)ln(Pi+δPi)=I(P+δP)K(P+δP,P)=(Ψ+δΨ)(λn+δλn)(Mn+δMn)i(Pi+δPi)(ΨλnMni)i(Pi+δPi)(ΨλnMni)=Ψλni(Pi+δPi)Mni=Ψλn(Mn+δMn)K(P+δP,P)=(Ψ+δΨ)(λn+δλn)(Mn+δMn)Ψ+λn(Mn+δMn)=δΨδλn(Mn+δMn)


Wir können die variierten Funktionen für kleine Variationen

δλn

entwickeln:


δΨ=Ψλnδλn+122Ψλnλmδλnδλm+....δMn=Mnλnδλn+122Mnλnλmδλnδλm+....K(P+δP,P)=δΨδλn(Mn+δMn)=(ΨλnδλnMn)δλn+(12λmΨλnMnλm)δλnδλmΨλn=Mn(12λmΨλnMnλm)=12Mnλm(ΨλnδλnMn)=0K(P+δP,P)=12MnλmδλnδλmK(P+δP,P)0


Vergleiche oben

also folgt:


K(P+δP,P)=12Mnλmδλnδλm0Mnλm0


negativ semidefinit, für alle δλm


Definiere Suszeptibilitätsmatrix:


ηmn:=Mnλn=2Ψλnλm


Diese Matrix beschreibt die Änderung von Mm bei Variation von λn:


δM¯=η¯¯δλ¯


bzw.:


η~σλ:=λσMλ=2IMλMσ


In Matrixschreibweise:


δλ¯=η¯¯~δM¯η¯¯~=η¯¯1


Wegen


λn(Ψλm)=λm(Ψλn)(Ψλm)=Mmλn(Ψλm)=ηmn(Ψλn)=Mnλm(Ψλn)=ηnm


Somit:

ηnm ist symmetrisch

AusK(P+δP,P)0 folgt:


ηmnδλmδλn=δMnδλn=η~nmδMnδMm0


Also: negativ- semidefinite quadratisceh Form:


ηnn0η~nn0


Nebenbemerkung:

Also sind I(Mn) und Ψ(λn) konvex!

Zusammenhang mit der Korrelationsmatrix

Qmn:=ΔMmΔMn ist Korrelationsmatrix (siehe oben)
=MmMnc 2. Kumulante


=2Γ(α)αmαn|α=0 mit Kumulantenerzeugender


Γ(α)=lnexp(αnMn)=lniPiexp(αnMin)=lnieΨ(λnαn)Min=ln[eΨie(λnαn)Min]=Ψ(λ)+ln[ie(λnαn)Min]ln[ie(λnαn)Min]=Ψ(λα)Γ(α)=Ψ(λ)Ψ(λα)Qmn=2Ψ(λα)αmαn|α=0=2Ψ(λ)λmλn=ηmn


Suszeptibilität!

Also: Die Korrelationsmatrix ist das Negative der Suszeptibilität!!

Also:

Qmn:=ΔMmΔMn=Mmλn=Mnλm



Fluktuations/ Dissipations- Theorem:

Fluktuationen
Zufällige Schwankungen um den Mittelwert
Dissipation
Systematische Änderung der Mittelwerte!

Korrektur einer Verteilung durch Zusatzinformationen

Sei P0 die Verteilung, die I(P) unter Kenntnis der Nebenbedingungen

iPi0=1iPi0Mim=Mmm=1,...,m
minimalisiert (Vorsicht: Index und Laufende sind ungünstigerweise gleich bezeichnet!)

Jetzt:

Zusatzinformationen (zusätzliche Mittelwerte beobachtet):

iPiViσ=Viσσ=1,...,siPi=1

Prinzip der vorurteilsfreien Schätzung

Suche Minimum des Informationsgewinns


K(P,P0)=iPilnPiPi0


unter dieser Nebenbedingung!!

Also:


i(lnPilnPi0+1+ξ+ξσViσ)δPi=0


mit neuen Lagrange- Multiplikatoren

ξ,ξσ


1+ξ=Ξi(lnPilnPi0Ξ+ξσViσ)δPi=0Pi=Pi0exp(ΞξσViσ)


Mit


Pi0=exp(ΨλnMin)
 folgt:


K(P,P0)=iPilnPiPilnPi0+Pi0lnPi0Pi0lnPi0iPilnPi=I(P)iPi0lnPi0=I(P0)PilnPi0+Pi0lnPi0=i(PiPi0)lnPi0lnPi0=ΨλnMini(PiPi0)(ΨλnMin)=λn(i(PiMin)i(Pi0Min))i(PiMin)=Mni(Pi0Min)=Mn0


Da nun die Mittelwerte

Mn,Mn0

nicht durch die Zusatzinfo geändert werden muss gelten:


K(P,P0)=I(P)I(P0)+λn(i(PiMin)i(Pi0Min))=I(P)I(P0)+λn(MnMn0)keineA¨nderungλn(MnMn0)=0Mn=Mn0


da diese Mittelwerte nicht durch die Zusatzinfo geändert werden!


K(P,P0)=I(P)I(P0)+λn(i(PiMin)i(Pi0Min))=I(P)I(P0)+λn(MnMn0)=I(P)I(P0)


Das heißt: Der Informationsgewinn entspricht gerade der Änderung der Shannon- Info!

Siehe auch

  1. Brandes,T, Thermodynamik und Statistische Physik, Vorlesung, TU-Berlin, Wintersemester 2006/2007, Gleichung 5.4.13 (Kap 5.4.3 S46)